Diese bereits uralte Therapieform hat auch heute noch nichts von ihrer Bedeutung für die Gesundheit verloren, auch wenn sie eine Zeit lang fast vergessen schien. Schon im alten Ägypten wusste man um ihre Wirkung und setzte Blutegel zu medizinischen Zwecken erfolgreich ein. Inzwischen bestätigen auch Wissenschaftler des Zoologischen Instituts der Universität Greifswald eine Wirkung der Blutegeltherapie. Sie bestätigten das Vorhandensein verschiedener bioaktiver Speicheldrüseninhaltsstoffe und konnten dabei 20 Speichelproteine in physiologisch wirksamer Konzentration nachweisen, die den menschlichen Körper positiv beeinflussen können.
Auch Wissenschaft und Pharmazie erkennen zunehmend, mit welch hochwirksamer Wirkstoffkombination die Natur den Blutegelspeichel ausgestattet hat. Er greift in die komplexe Kaskade der Blutgerinnung ein, ohne Schaden oder Nebenwirkungen für seinen Wirt. Er löst Thromben auf, fördert Durchblutung und Lymphfluss, wirkt schmerzlindernd und entzündungshemmend. Selbst in der plastischen Chirurgie findet der Egel Anwendung bei Gewebetransplantationen, um mittels verbesserter Durchblutung das Anwachsen des neuen Gewebes zu ermöglichen. Einzig eine leichte Rötung und ein Jucken an der Bissstelle können kurzzeitige Folgen einer solchen Behandlung sein.
Der Egel – eine eklige Sache?
Das denken wohl viele zunächst, doch so ist es keineswegs. So individuell wie der Mensch, so ist auch der Blutegel in Aussehen und Verhalten. Sie sind wendige Schwimmer mit unterschiedlichen Mustern und Farbtönen. Ein jeder scheint sein eigenes Naturell zu besitzen. So beobachten wir in der Praxis schnellentschlossene und tatkräftige Egel, die gleich zur Sache kommen. Andere wiederum lassen sich Zeit, sind wählerisch bezüglich der Bissstelle und saugen eher wenig. Auf den therapeutischen Effekt hat dies keine Auswirkung. Doch erzeugt solche Beobachtung mehr Bewusstsein dafür, dass es sich hier um Lebewesen handelt, deren Einsatz einzig unserem Wohlbefinden dienen soll.
So haben diese kleinen Tierchen unseren Respekt verdient!
Wie funktioniert eine Blutegeltherapie?
Der Blutegel ist ein Parasit, der sich an Warmblütern festsaugt. Dazu „sägt“ er sich mit seinen ca. 80 Zähnchen, die sich an 3 Sägeleisten befinden, in die Haut. Dieser Vorgang ist keineswegs schmerzhaft, sondern wird meist als ein Ziehen oder Stechen wahrgenommen.
Ist die Wunde einmal eröffnet und beginnt das Saugen, spürt man gar nichts mehr.
Dabei gibt der Egel die Inhalte seiner Speicheldrüsen in das Blut ab. Noch längst sind nicht alle wirksamen Inhaltsstoffe identifiziert, doch sind wichtige bereits lange bekannt.
Dazu gehören vor allem das
- Hirudin mit seiner gerinnungshemmenden Wirkung
- Calin, welches ebenfalls gerinnungshemmend wirkt und für das lange Nachbluten sorgt. Dies kommt einem sanften, lokalen Aderlass gleich und entlastet das Gewebe
- Eglin und Bdellin mit entzündungshemmenden und schmerzlindernden Eigenschaften
- Hyaluronidase, die entstauend wirkt und das Gewebe auflockert
- histaminähnliche Substanzen sind ebenfalls nachgewiesen.
Ist der Egel satt, fällt er von allein ab. Die Wunde wird mit dickem Verbandsmaterial versorgt und kann bis zu 24 Stunden nachbluten. Daher bekommen Sie von uns in der Regel weiteres Verbandmaterial mit nach Hause. Ein kurzer Folgetermin am nächsten Tag ist von Vorteil, um die Bisswunde anzuschauen und den Heilungsverlauf zu beurteilen. Auch können hier noch Fragen besprochen werden.
Bei welchen Beschwerden können Blutegel eingesetzt werden?
Prinzipiell finden Blutegel bei allen gesundheitlichen Problemen Anwendung, denen Zirkulationsstörungen, Flüssigkeitsstau, Entzündungen oder Schmerz zugrunde liegen. In der Praxis bewähren sich Blutegeln z.B. bei
- Rheuma
- Gürtelrose
- Krampfadern
- Tinnitus
- Thrombosen
- Nebenhöhlenentzündungen
- Venenentzündungen
- Bluthochdruck
- Arthrose
- Arthritis
- Ulcus cruris („offenes Bein“)
- Sehnenscheidenentzündung
- Tennis-/ Golfarm und andere
- Karpaltunnelsyndrom
Natürlich gibt es auch Kontraindikationen, die die Durchführung einer Blutegelbehandlung nicht erlauben. Diese können Sie im Einzelfall gerne bei uns erfragen.
Da es sich bei einer Blutegeltherapie um ein Ausleitungsverfahren handelt, führen wir dies gerne bei abnehmendem Mond durch. Haben Sie also Beschwerden, für die eine solche Behandlung in Frage kommt, sprechen Sie uns bitte rechtzeitig an. Auch sehr heiße Temperaturen oder starke Schwankungen des Luftdrucks können ggf. eine Behandlung erschweren. Denn als Lebewesen können Egel ebenso wie wir mit ihrem Verhalten auf Umwelteinflüsse reagieren. Bei einer geplanten Behandlung informieren wir Sie dazu rechtzeitig. Doch erfahrungsgemäß funktioniert es problemlos.
Aus medizinischer Sicht ist noch zu sagen, dass Blutegel zur medizinischen Anwendung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes als Fertigarzneimittel gelten. Wir beziehen die bei uns in der Praxis zum Einsatz kommenden Egel ausschließlich aus zertifizierter Zucht in Deutschland.
Haben Sie Fragen zu diesem Thema oder andere gesundheitliche Anliegen? Dann kontaktieren Sie mich gerne hier.
Es grüßt Sie herzlich,
Ihre Anke Neumann-Roß